VOTUM 1/2015

Themen: Neues Gesetz für pflegende Angehörige | Amtsangemessenheit der Richterbesoldung |

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Neues Gesetz für pflegende AngehörigeIn Deutschland sind derzeit rund 2,63 Millionen Menschen pflegebedürftig, von denen rund 1,85 Millionen ambulant versorgt werden, und zwar zu rund zwei Dritteln ausschließlich durch Angehörige.

Mit dem Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf hat der Gesetzgeber die Rechte pflegender Angehöriger gestärkt. Das Gesetz ist zum 1. Januar 2015 in Kraft getreten.

Künftig wird die zehntägige Auszeit, die Beschäftigte schon heute nehmen können, wenn sie kurzfristig eine neue Pflegesituation für einen Angehörigen organisieren müssen, mit einer Lohnersatzleistung - dem Pflegeunterstützungsgeld - verknüpft. Mit dem Gesetz wird darüber hinaus ein Rechtsanspruch auf die Familienpflegezeit eingeführt. Beschäftigte können sich damit bei einer Mindestarbeitszeit von 15 Wochenstunden für bis zu 24 Monate von der Arbeit freistellen lassen, um
einen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung zu pflegen.

Neu ist auch der Rechtsanspruch auf ein zinsloses Darlehen, das dabei helfen soll, den Verdienstausfall abzufedern, der entsteht, wenn Beschäftigte die Möglichkeiten des Pflegezeitgesetzes oder des Familienpflegezeitgesetzes in Anspruch nehmen. Das Darlehen wird in monatlichen Raten ausgezahlt und deckt die Hälfte des durch die Arbeitszeitreduzierung fehlenden Nettogehalts ab.

Auf entsprechenden Antrag kann auch ein niedrigeres Darlehen - bis zu einer Mindesthöhe von 50 Euro monatlich - genommen werden. er sich über einen längeren Zeitraum um einen pflegebedürftigen Angehörigen in häuslicher Umgebung kümmern muss, kann eine Freistellung in Anspruch nehmen. Beschäftigte sind für die Dauer von bis zu 2 Jahren bei einer verbleibenden Mindestarbeitszeit von 15 Wochenstunden hierfür teilweise freizustellen. Der Anspruch auf ein zinsloses Darlehen besteht auch bei der Familienpflegezeit.

Für Beschäftigte besteht 12 Wochen vor dem angekündigten Beginn bis zur Beendigung der Arbeitsverhinderung oder der genannten Freistellungen Kündigungsschutz. Der Rechtsanspruch auf Fernbleiben von der Arbeit und auf Freistellung besteht für "nahe Angehörige". Dies beinhaltet nicht nur die Pflege von Großeltern und Eltern, Schwiegereltern, Ehegatten oder Partnern einer eheähnlichen Gemeinschaft, sondern gilt auch für Stiefeltern, Schwägerinnen und Schwager sowie für Partner in lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaften. Auch Geschwister, Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder des Ehegatten oder Lebenspartners sowie Schwieger- und Enkelkinder sind als nahe Angehörige anzusehen.

Neben der Pflege eines pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung wird auch die außerhäusliche Betreuung eines pflegebedürftigen minderjährigen Kindes einbezogen. Dies gilt auch für die Begleitung von nahen Angehörigen in der letzten Lebensphase.

ABER: Für Beamte und Richter gilt das neue Gesetz nicht, obwohl die Lebenssituation, nahe Angehörige pflegen zu müssen, auch bei ihnen auftritt. Das betrifft v. a. das Pflegeunterstützungsgeld,
dessen Erstreckung auf die Beamten der Bundesrat gefordert hatte.
Insofern gilt wie so häufig: Nach der Reform ist vor der Reform.

Dr. Volker Nowosadtko
volker.nowosadtko@drb-berlin.de


Amtsangemessenheit der RichterbesoldungBericht zur mündlichen Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts am 3. Dezember 2014

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat am 3. Dezember 2014 über sieben konkrete Normenkontrollverfahren zur Verfassungsmäßigkeit der Besoldung von Richtern und Staatsanwälten verhandelt. Anlass waren Richtervorlagen des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen, des Verwaltungsgerichts Halle und des Verwaltungsgerichts Koblenz zur Frage, ob die Alimentation in den Besoldungsgruppen R 1 und R 3 beginnend ab dem Jahr 2003 noch amtsangemessen war.

Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Voßkuhle gab nach Eröffnung der Verhandlung zunächst eine kurze Einführung in den Streitstoff. Dabei wurde deutlich, dass der Zweite Senat - anders als zum Teil die vorherige kritische Berichterstattung in den Medien - die Sorgen der Richterschaft durchaus ernst nimmt. Folge des Streikverbots sei, dass der Gesetzgeber von sich aus für eine angemessene Besoldung sorgen müsse, bei der die Attraktivität und das Ansehen des Berufes sowie die geforderte Ausbildung und die Beanspruchung des Amtsinhabers zu berücksichtigen sei. Dabei richtete der Vorsitzende den Blick auf das Inland und das europäische Ausland. So betrage der Besoldungsunterschied zwischen den Bundesländern Saarland und Hamburg 20 v.H. Im europäischen Vergleich läge nur das Einstiegsgehalt eines R 1-Richters in Deutschland und Armenien unterhalb des nationalen durchschnittlichen Bruttoarbeitslohns. Wenn der Rechtsstaat Deutschland nur 1,5 v.H. der Gesamtausgaben für seine Justiz verwende und damit auf Platz 30 von 43 der europäischen Staaten stünde, sei das zunächst einmal irritierend.

Andererseits sei auch das Bemühen um die Sanierung der öffentlichen Haushalte zu berücksichtigen. Diese Interessen im Wege der praktischen Konkordanz in Ausgleich zu bringen, sei Gegenstand der Verfahren. Da bei den Ausgangsverfahren Richter über die Besoldung ihrer eigenen Berufsgruppe entscheiden müssten, strebe das Bundesverfassungsgericht an, hierfür einen praktikablen Entscheidungsmaßstab zu entwickeln.

Die Zulässigkeit der Richtervorlagen wurde - obwohl eigenständiger Punkt der mit der Ladung verschickten Verhandlungsgliederung - nicht problematisiert. Der Zweite Senat scheint daher ohne weiteres von der Zulässigkeit der Vorlagen auszugehen. Ein erfreulicher Umstand, der angesichts der hohen Anforderungen des Gerichts in der jüngeren Vergangenheit (vgl. Beschluss vom 3. Mai 2012 - 2 Bvl 17/08 -, juris zur Beamtenbesoldung) nicht unbedingt zu erwarten war.

Bei der Erörterung der Begründetheit der Richtervorlagen ging das Bundesverfassungsgericht zunächst von dem zuletzt in der Entscheidung zur Verfassungswidrigkeit der W-Besoldung der Professoren (vgl. BVerfGE
130, 263) verwendeten Prüfungsmaßstab aus. Dem weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers entspreche zwar eine zurückhaltende, auf den Maßstab evidenter Sachwidrigkeit beschränkte Kontrolle der einfachgesetzlichen Regelung durch das Bundesverfassungsgericht. Der Senat überlege aber die Kriterien, wann die Grenze der Evidenz im Einzelfall überschritten sei, zu konkretisieren. Prof. Dr. Voßkuhle machte in diesem Zusammenhang deutlich, dass die gerichtliche Überprüfung kein „zahnloser Tiger" bleiben dürfe. Der Senat erwäge, bei der Bestimmung der Untergrenze der Besoldung fünf bis sieben Kriterien gleichrangig zu berücksichtigen. Die Fragen der Richterbank an die Verfahrensbeteiligten machten indes deutlich, dass der Zweite Senat sich noch nicht sicher ist, welche Kriterien dies letztlich sein werden.

Einigkeit bestand jedenfalls darüber, dass - wie in der bisherigen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung - die Entwicklung der Einkommen Tarifbeschäftigter im Öffentlichen Dienst Berücksichtigung finden müsse. Daneben kämen als weitere Kriterien Vergleiche zur Entwicklung der durchschnittlichen Bruttomonatsverdienste (Nominallohnindex) und des Verbraucherpreisindexes in Betracht. Hierzu hatte das Bundesverfassungsgericht vom Bundesamt für Statistik Zahlenmaterial angefordert, das von zwei Vertretern des Bundesamts in der mündlichen Verhandlung ergänzend erläutert wurde.

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