Pressemeldung Nr. 2/10

4. Brandenburgischer Richter- und Staatsanwaltstag sorgt für lebhafte Diskussionen zwischen Richtern, Staatsanwälten und Politikern

Die Justiz im Land Brandenburg bleibt bürgernahGut besuchter Brandenburgischer Richter- und Staatsanwaltstag sorgt für lebhafte Diskussionen zwischen Richtern, Staatsanwälten und Politikern

(gekürzte Fassung des Berichts des Vorsitzenden. Den detallierten und bebilderten Bericht als PDF-Datei können Sie rechts herunterladen)

Am Nachmittag des 05.11.2010 kamen auf Einladung des Deutschen Richterbundes in der Aula der Ritterakademie in Brandenburg an der Havel rund 100 Richter, Staatsanwälte, Politiker und interessierte Bürger zum 4. Brandenburgischen Richter- und Staatsanwaltstag zusammen, um gemeinsam über die Zukunft der Justiz im Land Brandenburg nachzudenken. Unter den hochrangigen Besuchern aus allen drei Staatsgewalten befanden sich neben Justizminister Dr. Volkmar Schöneburg auch die Bundestagsabgeordnete Andrea Voßhoff (CDU) und die Landesabgeordneten Danny Eichelbaum (CDU), Hans-Peter Goetz (FDP), Ralf Holzschuher (SPD), Margitta Mächtig (Die Linke) und Sabine Niels (Bündnis 90/Die Grünen). Unter den zahlreichen Prominenten aus der Justiz befanden sich der Präsident des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg, die Mehrzahl der Obergerichtspräsidenten aus Brandenburg und Berlin, der Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg, die Landesvorsitzenden des Berliner Richterbundes, Richter am Landgericht Stefan Finkel, und des Niedersächsischen Richterbundes, Vorsitzender Richter am Landgericht Andreas Kreutzer, sowie der Ehrenvorsitzende des Brandenburgischen Richterbundes, Vizepräsident des Oberlandesgerichts Wolf Kahl.

Der Landesvorsitzende Matthias Deller hob in seiner Begrüßung hervor, dass bei dem Nachdenken über die Vergangenheit und Zukunft auch die Gegenwart der Justiz zu bedenken ist. Er sprach marode Gerichtsgebäude und bestehenden Personalmangel in der Justiz bei Richtern, Staatsanwälten und Rechtspflegern sowie die komplette Streichung des Weihnachtsgeldes durch die neue rot-rote Landesregierung an. Die Besolungslücke zum Bundesdurchschnitt werde seit drei Jahren immer größer und damit der Wettbewerb um die besten Köpfe für die Gerichte und Staatsanwaltschaften in Brandenburg in immer mehr Fällen verloren.

Der zum Jahresende 2010 in den Ruhestand ausscheidende Präsident des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, Prof. Dr. Wolfgang Farke, hielt eine teils sehr launige, teils ausgesprochen ernste Rückschau auf den Aufbau des Rechtsstaats im Land Brandenburg. Der vermeintliche „Import aus Nordrhein-Westfalen" - in Wahrheit in Berlin geboren verbrachte die Mehrzahl seiner Berufsjahre als Richter im Dienst des Landes Brandenburg. Plastisch beschrieb er wie unmittelbar nach Neugründung des Landes Brandenburg der langjährige Justizminister Dr. Bräutigam gemeinsam mit seinem Staatssekretär Dr. Vaupel gleichsam aus dem Nichts - fast ohne Personal, mit unzureichender Technik und in teilweise baupolizeilich gesperrten Räumen - ein funktionsfähiges Justizministerium aufbauten, von dem beide schon nach wenigen Monaten erwarteten, „wie ein ordentliches Ministerium im Westen zu funktionieren". Prof. Dr. Farke betonte den hohen persönlichen Einsatz der ersten Stunde in der Unterschiede in Herkunft, Ausbildung oder politischer Orientierung ohne Belang gewesen seien. Seiner persönlichen Erfahrung nach habe es ohnehin keine wesentlichen Unterschiede zwischen den „Ossis" und „Wessis" gegeben - selbst der Humor bei der Arbeit und die zugehörigen Sprüche hätten die gemeinsame Identität belegt. Sehr zufrieden zeigte sich der Präsident des Oberlandesgerichts damit, dass es in Brandenburg - anders als in Berlin - gelungen sei, eine große Anzahl von Juristen aus der DDR nach individueller Überprüfung weiterbeschäftigen zu können; eine einzigartige Integrationsleistung.Mit dem für die Gerichte und deren Eigenständigkeit Erreichten zeigte sich Frake sehr zufrieden, wolle auch im Ruhestand seinen Lebensmittelpunkt in Brandenburg behalten, wo inzwischen auch seine Kinder ihr Zuhause gefunden haben.

Justizminister Dr. Volkmar Schöneburg zog Zwischenbilanz nach einem Jahr an der Spitze des Justizministeriums und hielt Ausblick auf künftige Projekte. Er unterstrich die Notwendigkeit einer besonderen Achtung der Justiz als Dritter Staatsgewalt, deren Arbeitsfähigkeit, Unabhängigkeit und Bürgernähe fortlaufend zu sichern und zu stärken sei. Mit dem bisher in seiner Amtszeit für die Justiz Erreichten zeigte Dr. Schöneburg sich zufrieden. Er verwies auf dauerhaft neu sowie befristet geschaffene Stellen bei den überlasteten Sozialgerichten und den Verwaltungsgerichten. Die Justiz dürfe sich nicht aus der Fläche zurückziehen, sondern alle Standorte der Amts- und Arbeitsgerichte seien zu erhalten, bis auf das AG Guben und das ArbG Senftenberg, die in eine Zweigstelle umzuwandeln seien. Die Zweigstelle der Staatsanwaltschaft in Eberswalde werde erhalten bleiben. Verfrühte Standortverlagerungen lehnte er ab. Dr. Schöneburg kündigte noch für dieses Jahr den Brandenburger Entwurf zu einem nahezu inhaltsgleichen Richtergesetz der Länder Berlin und Brandenburg an, durch das die Eigenständigkeit der Justiz weiter gesichert werde. Auch im Bereich Richterrecht, Strafvollzugs und Sicherungsverwahrung sei die Zusammenarbeit mit der Berliner Senatsverwaltung deutlich besser als häufig von interessierter Seite dargestellt. Zum Zustand einiger Gerichtsgebäude im Land kündigte Dr. Schöneburg an, dass sich dies unmittelbar nach der Beschlussfassung des Landtags zum Gerichtsneuordnungsgesetz im Rahmen der im Haushalt vorhandenen Baumittel zügig ändern werde. Allerdings sei die Zeit großer Justizneubauten inzwischen vorbei.

An der sich anschließenden, lebhaften Podiumsdiskussion zur Zukunft der Justiz nahmen Vertreter aller Landtagsfraktionen - mit Ausnahme der FDP - teil. Eine ausreichende Kontrolle der Gerichte und Staatsanwaltschaften durch das Parlament wurde ebenso erörtert, wie eine Zukunftsvision von der Überflüssigkeit der Justiz an sich und deren deutlich stärkere Autonomie. Beteiligung und Zahl von Landtagsabgeordneten im Richterwahlausschuss wurden ebenso kontrovers diskutiert, wie sog. Einzelfallweisungen an die Staatsanwaltschaften. Unter Einbeziehung des Publikums wurde anschließend sehr engagiert über die Frage des Neuzuschnitts der Landgerichtsbezirke diskutiert. Die Veranstaltung ging mit der erfreulichen Erkenntnis zu Ende, dass auch im Land Brandenburg eine streitige Auseinandersetzung über justizpolitische Themen möglich ist und durch den Charme und Humor der handelnden Personen auch durchaus hohen Unterhaltungswert haben kann.