Stirbt der Rechtsstaat in Europa einen schleichenden Tod?

München. Im Rahmen der bundesweiten Veranstaltungsreihe „Justiz im Dialog“ ging der Bayerische Richterverein e.V. (BRV) am 26. Juni 2019 in München der Frage nach, wie es derzeit um den Zustand des Rechtsstaats in Europa bestellt ist.

Immer wieder kann man den Medien Schreckensmeldungen über Beeinflussungsversuche und Repressalien gegenüber Richtern, über offen justizfeindliche Bestrebungen und Gesetzgebungen mancher Regierungen in europäischen Ländern entnehmen. Der BRV wollte die Dynamik derartiger Entwicklungen am Beispiel Polens nachvollziehen und konnte einen Redner gewinnen, der hierzu Erkenntnisse aus erster Hand lieferte: Der polnische Richter Dariusz Mazur, Leiter der Dritten Kriminalabteilung am Bezirksgericht Krakau und Sprecher der polnischen Richtervereinigung „Themis“, stellte in seinem packenden Vortrag ausführlich dar, wie es zu der Erosion des Rechtsstaats in seinem Land kommen konnte, und berichtete anhand konkreter Beispiele über die aktuelle Situation der polnischen Richter.

"Rechtsstaat wird sich behaupten"

Anschließend gab der Präsident des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs und des Oberlandesgerichts München, Herr Peter Küspert, einen Überblick über Gefährdungen des Rechtsstaats in zahlreichen Ländern innerhalb und außerhalb der Europäischen Union und schilderte seine persönlichen Eindrücke aus internationalen Kontakten zu ausländischen Amtskollegen. Sein Fazit fiel verhalten optimistisch aus: Trotz vieler mehr oder weniger offen rechtsstaats- und justizfeindlicher Bestrebungen in einigen Staaten, werde sich der Rechtsstaat nach seiner Überzeugung gerade in schwierigen Zeiten behaupten.

Kurzfristig wird sich wenig ändern

Die etwa 100 Gäste, darunter Abgeordnete und hochrangige Justizvertreter, zeigten sich in der anschließenden Fragerunde beeindruckt von dem Mut, mit dem viele polnische Richter, allen voran die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs, gegen die Einschüchterungsversuche der Regierung opponieren. Richter Mazur sah allerdings wenig Anlass zur Hoffnung: Trotz der klaren Signale aus Europa, selbst trotz der Entscheidung des EuGH vom 24. Juni 2019, mit der die Herabsetzung des Pensionsalters der Richter des Obersten Gerichtshofs für unvereinbar mit der Unabhängigkeit der Justiz bezeichnet wurde, werde sich kurzfristig wohl wenig am Zustand der polnischen Justiz ändern. Dennoch wird Mazur seinen Weg fortsetzen. Auf die Frage aus dem Publikum, ob er für sich persönlich Gefahren aus seiner Oppositionsarbeit sieht, antwortete er, das könne er nicht ausschließen. Aber er halte es für seine Pflicht als Richter, für den Rechtsstaat in seinem Heimatland einzustehen.

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Bild von Matthias Schröter Matthias Schröter Pressesprecher
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